Wenn Menschen der LGBTQ+ Community heiraten möchten, kann es kompliziert werden. Denn dass segnen nicht dasselbe ist wie absegnen, das haben so einige Pfarrpersonen noch nicht verstanden.
Viele konservative Geistliche haben vermutlich Angst davor, bei der Segnungsfeier für ein gleichgeschlechtliches Paar einen Lebensstil abzusegnen, den sie für verdammungswürdig halten.
Das ist zumindest die Botschaft, die ihr Verhalten vermittelt, wenn sie einen Segnungsgottesdienst zu verweigern: Sie transportieren durch ihre Weigerung die Fehlinterpretation, dass Gott angeblich gleichgeschlechtliche Partnerschaften missbilligen würde.
Und unabhängig davon, wie sehr diese Einschätzung am Evangelium um Lichtjahre vorbeigeht, vergessen sie dabei, dass es am Traualtar um etwas viel Größeres geht als ihre persönliche Meinung zu einem Lebensstil, den sie nicht verstehen:
Mit einfachen Worten: Liebe
Zwei Menschen wollen einen Bund fürs Leben schließen. Sie lieben sich so sehr, dass sie für immer zusammenbleiben wollen, nie mehr getrennt. Dafür wollen sie um Gottes Segen bitten. Was bitte soll daran verkehrt sein?
Eine Trauung ist nicht das amtliche Absegnen eines Lebensstils, sondern die Vermittlung göttlichen Segens. Und so ganz nebenbei: was den Lebensstil angeht, erhalten auch Steuerbetrügende, Mobbing-Profis und zur häuslichen Gewalt neigende Personen ihren kirchlichen Segen zum Bund fürs Leben – das kirchliche Screening ist sehr selektiv, wo hingeschaut wird und wo man gar nicht erst hinsieht.
Bereitet die Wege
Also, einfach gesagt: Zwei Menschen bitten um den Segen Gottes – und wo Gott segnen will, sollte kein Pfarrer im Weg stehen.
Als Tipp für alle Pfarrpersonen, die dabei immer noch Gewissensbisse haben: Jesus hat mit einem großen Herzen gesegnet – und sich bestimmt niemals Sorgen gemacht, aus Versehen einen Menschen zu viel gesegnet zu haben.
Im Gegenteil, er sagte mal: „Tut wohl denen, die euch hassen, und segnet die, die euch verfluchen.“ (Lukas 6, 27-28). Eigentlich ist das der Mindset-Hack für homophobe Geistliche - einfach mal 1:1 umsetzen. Zumindest in manchen Situationen würde das direkt passen. Da will ich jetzt aber auch wiederum niemandem Hass und Flüche unterschieben, nur just in case.
Einvernehmlichkeit statt Anpassung
Was helfen würde: Ich würde mir wünschen, dass die Kirche auf dem Gebiet der S*xualität stattdessen etwas anderes bei ihrer Wertevermittlung berücksichtigen würde: Einvernehmlichkeit.
Wenn die Frage an oberster Stelle steht, ob die Gesellschaft mit den eigenen s*xuellen Empfindungen einverstanden ist, tritt eine andere Frage in den Hintergrund: Was ist eigentlich für mich selbst ok?
Die Zuteilung von außen, welche Intimitäten ok sind und welche nicht, führt zur Entfremdung von sich selbst. Und dazu, aus dem Blick zu verlieren, dass das einvernehmliche Handeln an oberster Stelle stehen muss.
Auf Augenhöhe – oder gar nicht
Unterordnung unter die Norm heteros*xuellen Verhaltens führt am Ende zu einer S*xualität, die im Widerspruch zu den eigenen Wünschen gelebt wird. Unterordnung ist toxisch für jede intime Beziehung, und das passiert leider gar nicht selten.
Lange wurde von Frauen patriarchale Unterordnung in der Ehe gefordert, und auch die vielen Missbrauchsfälle im kirchlichen Kontext zeigen, dass S*xualität und Hierarchie nicht zusammenpassen.
Wenn es wichtiger wird, dass der persönliche Ausdruck der S*xualtität der Norm der Außenstehenden gefällt als den Beteiligten selbst, dann ist die Grundlage für Missbrauch bereits gelegt. Denn gerade auf dem Gebiet der Intimität entfremdet Unterordnung den Menschen von sich selbst, verletzt und zerstört.
Ein Regenbogen als Extrawunsch? Ein Grundrecht!
Deshalb sind die s*xuelle Selbstbestimmung sowie die freie Entfaltung der Persönlichkeit im deutschen Grundgesetz verankert. Es ist dünnes Eis, auf dem homophobe Geistliche sich bewegen, wenn sie Regenbogenpaaren die eheliche Segnung verweigern.
Einvernehmlichkeit als zentralen Wert der S*xualmoral zu vermitteln, das wäre christlich. Menschen Vorstellungen aufzuzwingen, wie ihre S*xualität auszusehen hat – ist es sicherlich nicht.
Eine Regel für alle Regeln
Von Jesus wissen wir, dass es ihm fern war, Menschen einzuschränken, wo Liebe im Mittelpunkt steht. Stattdessen sagte er einmal:
„Stellt keine Regel auf, die über das hinausgeht, was ich euch gesagt habe; und erlasst keine Gesetze wie ein Gesetzgeber, denn ihr sollt euch davon nicht einschränken lassen.“
Magdalena-Evangelium*, Kap. 35, Vers 22
The Saint of Queerness
Übrigens: Die Beziehung zwischen Maria Magdalena und Jesus ist bis heute nicht von der Kirche anerkannt worden. So könnte Maria Magdalena eigentlich die Schutzheilige der Regenbogenbewegung werden.
*frei übersetzt nach dem Originaltext der französischen Fassung:
“[…] N’imposez aucune règle hormis celles que je vous ai fixées; et ne donnez pas de loi à la manière du législateur, de crainte d’en subir la contrainte.”
Zitiert aus: Jehanne de Quillan, L’Évangile selon la compagne bien-aimée – l’evangile intégral de Marie Madeleine, Éditions Athara, Ariège, Frankreich, 2014, ISBN 978 1497 581913.
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