Eine kurze Triggerwarnung zuerst: Wenn dir die Bibel heilig ist, dann könnte der nachfolgende Text deine religiösen Gefühle verletzen – also Vorsicht!
Andererseits hat die Frage, ob die Bibel eine heilige Schrift ist oder nicht, bei vielen Menschen viel mehr verletzt als nur ihre Gefühle. Unzählige haben ihr Leben verloren, weil sie diesem Anspruch nicht zustimmen wollten, den die Kirche über Jahrhundert hinweg verbreitete.
Heute, am 3. Mai 2025, hat Donald Trump ein Bild in den sozialen Medien verbreiten lassen, das ihn als Papst zeigt. Wirklich überraschend ist das jetzt nicht mehr, mittlerweile hat man ihn ja auch schon als goldene Statue im von KI renovierten Gazastreifen gesehen.
Aber es bringt mich auf einen spannenden Gedanken, der mir vor einiger Zeit kam – im Zusammenhang mit seiner Amtseinführung. In Reaktion auf die Ansprache der Washingtoner Erzbischöfin Mariann Edgar Budde stellte er empört Barmherzigkeit als christlichen Grundwert infrage.
Auch die christlichen Werte Diversität, Gerechtigkeit und Inklusion wurden schnell und sehr konkret zur Zielscheibe seiner politischen Strategie zur Umgestaltung der USA. Immer wieder untermauert durch christlich scheinende Rhetorik der evangelikalen Gemeinden.
Alles natürlich im Widerspruch zu vielen christlichen Werten, die man zum Beispiel aus der Bergpredigt kennt – was viele progressive Christen in den USA auf vielen Gebieten in einen intensiven Diskurs führt. Zum Beispiel in den bemerkenswerten Aktivitäten von Reverend Dr. Caleb J. Lines aus San Diego (Instagram: @revdrcalebjlines).
Aber was wäre, wenn Trump noch einige Schritte weitergehen würde? Wie würde es aussehen, wenn er eines Tages seine eigene Bibel schreiben würde? Und wenn diese Bibel nach Trump sich über Social Media dann als eine Sammlung „alternativer Fakten“ durchsetzen würde? Erst elektronisch und womöglich eines Tages auch mit Gewalt?
Wie wäre – vielleicht einige Jahrhunderte später – eine Welt, in der sich am Ende kaum einer noch an die jetzige Bibel erinnert? Sondern sie eher Verschwörungstheoretikern zugeordnet wird, während das „Evangelium nach Donald“ konsensfähig und etabliert ist?
Ein üble Horrorvorstellung, und ich glaube nicht ernsthaft, dass es dazu einmal kommt. Aber zumindest braucht man für dieses Szenario heute etwas weniger Fantasie als noch vor ein paar Jahren. Trotzdem: Ist es undenkbar?
Wie eng Macht und Religion verknüpft sein können, zeigt ein Zitat der US-amerikanischen Religionswissenschaftlerin Dr. Elaine Pagels [1]:
„Von den Bischöfen abgesegnet und von [dem römischen Kaiser] Konstantin selbst gebilligt, wurde das Nicänische Glaubensbekenntnis dann zur offiziellen Lehrnorm, zu der hinfort jeder ja sagen musste, der ein vollwertiges Glied der einzigen vom Kaiser anerkannten Kirche, der „katholischen“, werden, sein oder bleiben wollte. Ein Jahr, bevor sich [im Jahr 325 n.Chr.] die Bischöfe in Nicäa versammelten, hatte Konstantin versucht, allen „häretischen [von der kirchlichen Meinung abweichenden] Sekten“ – die zusammen schätzungsweise die Hälfte aller Christen im Römischen Reich zu ihren Mitgliedern zählten – auf dem Wege der Gesetzgebung ein Ende zu machen. Der Kaiser verhängte über „Häretiker und Schismatiker“ [„Abweichler und Spalter“] ein Versammlungsverbot, das selbst für Zusammenkünfte in Privathäusern galt, und erteilte ihnen die Auflage, ihre Kirchenbauten und was sie sonst an Immobilien besaßen, der katholischen Kirche zu übereignen.“
Im Laufe der Kirchengeschichte steigerten sich diese Machtbestrebungen und es kam zu Exzessen wie Bücherverbrennungen, Verfolgungen und Inquisition. Mittelalterliche Verhältnisse. Natürlich keine Perspektive für die USA, bestimmt wird dort alles wieder gut.
Aber die Art, wie wir rückblickend die Geschichte vergangener Jahrhunderte sehen, wird maßgeblich durch die Perspektive der Sieger bestimmt. Von ihnen wurden die Geschichtsbücher geschrieben, und das meiste, was wir über die andersgläubigen Christen der ersten Jahrhunderte wissen, wurde nicht von ihnen selbst, sondern von der Kirche überliefert.
Religionswissenschaft bringt Licht ins Dunkel und leistet hier gute Dienste, weswegen Forschende auf diesem Gebiet, wie zum Beispiel Anna Kira Hippert von der Ruhr Universität Bochum (Instagram: @sugarkane2003), sich verstärkt für Öffentlichkeitsarbeit einsetzen. Denn wer die Geschichte kennt, kann die aktuellen Mechanismen religiös begründeter Machtbestrebungen besser durchschauen.
Literatur:
[1] Elaine Pagels, Das Geheimnis des fünften Evangeliums, dtv-Verlag München (2006); Zitat von Seite 175 der 8. Auflage (2016)
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